Stellungnahme zum Urteil des Landgerichts Köln hinsichtlich der religiösen Beschneidung bei Minderjährigen von Rabbiner Chaim Barkahn:
Die Financial Times Deutschland hat Anfang dieser Woche (26. Juni 2012) einen Artikel veröffentlicht, in dem steht, dass das Landgericht Köln die religiöse Beschneidung unter Strafe stellt. Das Landgericht Köln hat die Beschneidung als Körperverletzung verurteilt.
Der Bet Din Machsikei Hadat und das Jüdische Bildungszentrum Chabad Lubavitch Berlin weisen dieses Urteil strikt zurück, da sich dies gegen eines der grundlegenden Prinzipien des jüdischen Glaubens wendet, wonach jeder Mann beschnitten werden soll.
Dieser Meinung schließe ich mich ausdrücklich an.
Die Durchführung der Beschneidung ist ein Grundsatz im Judentum, welcher seit mehr als 3000 Jahren durchgehend praktiziert wird. Heute wird dieses weltweit respektiert und akzeptiert. Die Beschneidung wird auch von nicht traditionellen, säkularen Menschen durchgeführt. Über 90 % der Menschen jüdischen Glaubens führen die Beschneidung durch.
Der Grund für die Beschneidung ist ein religiöser Grund. Dazu (nebenbei) gibt es auch medizinische und hygienische Vorteile.
In den Vereinigten Staaten werden heute 25 % aller Männer unabhängig ihres Glaubens beschnitten.
Nach dem jüdischen Gesetz darf eine Beschneidung nur dann durchgeführt werden, wenn das Kind gesund ist. Wenn es einen Zweifel an der Gesundheit des Kindes gibt, wird die Beschneidung verschoben.
Die Beschneidung darf nur von einer fachkundigen Person, einem Mohel, durchgeführt werden. Dieser muss medizinisch, hygienisch und religiös geeignet sein.
Es gibt insbesondere einen wichtigen Grund, die Beschneidung bei einem gesunden Baby am achten Tag durchzuführen und nicht zu verschieben. Nach medizinischen Studien ist es auch erwiesen, dass die Beschneidung gesund für das Kind ist. Ein Vorteil ist, dass die Durchführung der Beschneidung das Risiko von Krebs verringert. Dr. Avraham Steinberg hat in der Enzyklopädie für jüdische medizinische Ethik (S. 199) berichtet, dass "Komplikationen extrem selten sind“. Bei mehreren zusammengefassten Studien mit mehr als 24.000 Neugeborenen gab es nur bei 0,06 - 0,25 % der Neugeborenen Komplikationen... In einem Bericht von 500.000 Beschneidungen in New York und 17.000 in der US Army gab es keinen einzigen Zwischenfall.
Weiterhin hat es einen besonderen Vorteil, wenn die Beschneidung in der sehr frühen Phase nach der Geburt durchgeführt wird. Die Weltgesundheitsorganisation WHO stellte am 28.03.2007 fest, dass es Beweise dafür gibt, dass Beschneidungen das Risiko für HIV signifikant reduziert, obwohl das nicht die einzige Prävention sein soll.
Die American Urological Association stellt in dem Policy Statement fest, dass Beschneidungen "einen gesundheitlichen Vorteil darstellen".
Weiterhin sagen 80 % der Menschen, die erst als Erwachsene beschnitten wurden, sie hätten sich eine Beschneidung als Kind gewünscht.
In dem New York State Journal of Medicine hat man 1987 in einer Studie von Dres. Mandel und Schumann festgestellt, dass beschnittene Männer weniger zu Prostatakrebs neigen (PMID 3553301).
Der Grund für die Beschneidung sind aber nicht die medizinischen Vorteile, sondern vor allem, weil die Beschneidung (Brit Mila) ein wesentlicher Bestandteil des Fundaments des Judentums ist (Gen. 17, 12). Es ist ein Zeichen des Bundes zwischen G'tt und Israel.
Auch heute muss es in Deutschland selbstverständlich ein Recht sein, dass jeder seine religiösen Pflichten erfüllen und seine Kinder beschneiden lassen kann.
Wir betrachten dies als eine Verletzung der Religionsfreiheit und wir rufen die Bundesregierung auf, unverzüglich Rechtsklarheit zu schaffen und bis zur Verabschiedung eines Gesetzes durch den Bundestag den bisherigen Status Quo durch Rechtsverordnung zu erhalten.
Euer Rabbiner Chaim Barkahn
Rabbiner von Chabad Lubavitch Düsseldorf